Im Zuge einiger Diskussionen und Auseinandersetzungen der letzten Jahrzehnte hat der Vatikan durch das Dikasterium für die Glaubenslehre am 4. November 2025 einige Klarstellungen zum theologisch-kirchlichen Verständnis Marias und insbesondere zur Verwendung von Titeln für die Gottesmutter veröffentlicht. Ziel des Textes „Mater Populi fidelis“ (Mutter des glaubenden Volkes) ist es, die volksfrömmige Verehrung Marias in Bibelauslegung, kirchlicher Tradition und ökumenischer Verständigung in Einklang zu bringen.
Víctor Manuel Kardinal Fernández, Präfekt des Dikasteriums der Glaubenslehre, stellt zunächst fest, dass Maria „die weibliche Äußerung all dessen [ist], was die Gnade Christi in einem Menschen bewirken kann.“ Diese Basis soll nicht verwässert werden, was zum Schaden des gläubigen Volkes und der Kirche beiträgt. Es geht also um das Gleichgewicht innerhalb der christlichen Glaubensgeheimnisse zwischen der einzigartigen Mittlerschaft Christi und dem Mitwirken Mariens am Heilsplan Gottes seiner Werke.
Wie sagt die Bibel über die Mutterschaft Marias?
Im biblischen Zusammenhang geht die Verlautbarung Mater populi fidelis vornehmlich auf die Ereignisse unterm Kreuz in der Todesstunde Christi ein. Die Überlieferung im Johannes-Evangelium bezeugt, dass Jesus Maria immer wieder „Frau“ nennt und sie zur Mutter des gläubigen Volkes wird, als er sie dem Apostel Johannes als Mutter überantwortet. Durch das Evangelium steht Johannes also für alle Menschen, denen Maria als Mutter anvertraut wird. Die Verlautbarung spielt in der Folge auch auf die Schlüsselstelle unserer Verehrung Marias als Mutter Europas in der Offenbarung, Kapitel 12 an:
In einem ähnlichen Sinne stellt die Apokalypse die „Frau“ als Mutter des Messias und als Mutter ihrer „übrigen Nachkommen“ vor.
Im Lukasevangelium 1,41-45 ist der Besuch der schwangeren Maria bei der ebenfalls schwangeren Elisabeth von Bedeutung, um die Zusammengehörigkeit von Jesus und Maria zu veranschaulichen. Erfüllt vom Heiligen Geist spricht Elisabeth, was wir heute alle im Rosenkranz beten: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“. Entscheidend dabei ist die Feststellung, dass Maria ebenso von Gott gesegnet ist wie ihr Sohn Jesus. Maria würdigt diese Erfüllung mit dem Magnificat, das wie der Rosenkranz zu unseren Grundgebeten gehört.
Wie stellt sich das Bild Marias in der Kirchentradition dar?
Die Mitwirkung und Teilnahme Marias am Werk der Erlösung, sowohl als Mutter Christi als auch als Mutter aller Gläubigen, die „in der Kirche geboren“ werden, setzt sich in der kirchlichen Tradition der Kirchenväter fort. In den bildlichen Darstellungen wird Maria als die Gottesmutter gezeigt, die ihren Sohn der Welt vorstellt und umarmt, während sie gleichzeitig für die Menschen bei Jesus Fürsprache einlegt, also auch Mutter der Glaubenden ist. Oder wie es in der Verlautbarung heißt: „Maria wird nicht neben Christus verehrt, vielmehr ist sie durch die Menschwerdung Teil des Geheimnisses Christi“.
Zuletzt im II. Vatikanischen Konzil wurde Maria als erste Erlöste und erste vom Heiligen Geist Verwandelte bestätigt. Zugleich wird betont, dass Maria nicht von Gott benutzt wurde, sondern wie Jesus freiwillig in die Knechtschaft Gottes eingetreten ist – mit dem Unterschied zu allen anderen Menschen, dass sie noch vor allem eigenen Handeln in diesen Verwandlungsbund der göttlichen Erlösung berufen wurde. Die aktuelle Verlautbarung bewertet auf dieser Basis auch die Verwendung von Marientiteln.
Die Mariengebete und die Verehrung für die Gottesmutter haben in der Tradition auch dazu geführt, dass verschiedene Titel Maria einen besonderen Rang in der Heilsverkündigung einräumen. Die vatikanische Verlautbarung thematisiert hierbei insbesondere die beiden Titel Miterlöserin (Co-Redemptrix) und Mittlerin (Mediatrix), um einige Klarstellungen zu vermitteln.
Warum ist Maria als Miterlöserin missverständlich?
Papst Benedikt XVI. stand bereits als Präfekt der Glaubenskongregation der Verwendung des Titels Miterlöserin skeptisch gegenüber. 2002 wird die Distanz größer, denn der Titel löse Missverständnisse aus, die Maria vom Erlösungswerk Christi entferne. Dies wird leicht nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass dieser Titel aus der alten Formel „Mutter des Erlösers“ entstanden ist und durch Abkürzungen und ungenaue Erweiterung der Nährboden solcher Missverständnisse bereitet wurde. Papst Franziskus wehrte sich noch vehementer gegen die Verwendung dieses Titels.
Wie soll man Mittlerin verstehen?
Die Titulierung Marias als Mittlerin hat eine lange Verbreitungsgeschichte seit dem 6. Jahrhundert, allerdings mit verschiedenen Bedeutungen. Bitten an die Päpste des 20. Jahrhunderts, aus der Mittlerin aller Gnaden ein Dogma zu machen, wurde nicht entsprochen. Zunächst ist dies darin begründet, dass die Mittlerschaft Gottes und des Heilsversprechens allein Jesus Christus vorbehalten ist. Hier braucht es also eine Grenzziehung bei einer Anwendung des Begriffs auf Maria. Die Mittlerschaft Marias beschränkt sich auf die mütterliche Fürsprache als Mitwirken Marias am Handeln Christi.
Maria ist Mater populi fidelis (Mutter des glaubenden Volkes)
Die vatikanische Verlautbarung Maria Populi fidelis betont also die Rolle der Gottesmutter als Mutter aller Glaubenden und vor allem als Fürsprecherin für die Glaubenden. Sie stellt sich nicht in Konkurrenz zur Gnade und Erlösung, die alleine von Christus ausgeht und zu ihm hinführt. In ihrer Mütterlichkeit schenkt sie uns Zuflucht, Kraft, Zärtlichkeit und Hoffnung.
Der vollständige Originaltext der vatikanischen Verlautbarung wurde bei Vaticannews veröffentlicht: Mater populis fidelis.




